Wer keinen Anzug von der Stange will, hat die Wahl zwischen Maßkonfektion und Maßschneiderei: Ist das nicht ein und dasselbe? Könnte man meinen, ist es aber nicht! Der Gentleman zeigt Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Varianten auf. Zudem informieren wir über Qualitätsmerkmale, Preise und Produktion.
Alternative zur Stangenware
Tatort Herrenausstatter: Reihen von dunkelblauen, dunkelgrauen und schwarzen Anzügen scheinen sich ins Unendliche hinzuziehen. Es braucht Zeit und Nerven, um da einen passenden Anzug herauszusuchen. Und dann wird man auch noch genötigt Kompromisse einzugehen, denn meist ist der schöne dunkelblaue Doppelreiher, auf den Sie Ihr Augenmerk gelegt hatten, leider gerade nicht in Ihrer Größe erhältlich. Ja, dann kauft man eben anthrazit, schließlich benötigt man jetzt einen Anzug… Wenn Sie das Problem kennen und dessen überdrüssig sind, stellen wir Ihnen Lösungsmöglichkeiten vor.
Maßanzug – Das Maß der Dinge
Die Geschichte der Maßschneiderei beginnt im frühen Mittelalter. Damals wurde noch alles in Eigen- und Handarbeit produziert. Nur Könige und Fürsten konnten es sich leisten, ihre Gewänder in den Werkstätten eigener Schneider fertigen zu lassen. Wer etwas vom Schneider trug, war reich und zeigte das auch. Immer noch verbindet man den puren Luxus mit dem Schneiderhandwerk, denn ein Maßanzug ist in der Tat teuer.
Der hohe Zeitaufwand und die Materialien machen einen Maßanzug so kostspielig. Die Produktion eines maßgeschneiderten Anzuges nimmt so viel Zeit in Anspruch, dass kein Mensch auf die Idee käme, hier billige Stoffe zu wählen. Die Stoffe werden in der Regel in den besten Webereien Englands und Italiens erworben.
Auch der Zeitaufwand lässt sich leicht erklären: Zum einen muss der Kunde vermessen werden. Das ist in der Regel ein längeres Beratungsgespräch, in dem der Schneider Geschmack und Stil des Kunden erfühlen muss, um ihn dann den richtigen Anzug zu fertigen. Der Schnitt, der Anzugstoff, die Details – alles muss sich am Ende zu einem stimmigen Bild fügen, das die Persönlichkeit des Mannes unterstreicht. Wenn die Maße genommen sind, beginnt die Arbeit des Schneiders. Aus den Daten des Kunden und der langjährigen Erfahrung des Schneiders wird ein Schnittmuster entwickelt, das erst auf Papier, dann auf einen Probestoff gezeichnet wird. Nach dem Zuschnitt der Einzelteile werden diese in Handarbeit zu einem vorläufigen Anzug zusammenfügt. Fertig ist der Probeanzug.
Dieser wird lediglich aus einfachen Materialien hergestellt. Er dient dem Schneider zur Überprüfung, ob seine Maße richtig waren, und um mit dem Kunden Rücksprache zu halten, damit dieser eventuelle Änderungswünsche anbringen kann. Wenn Kunde und Schneider zufrieden sind, wird auf der Basis des ersten Anzuges nun erst im edlen Stoff der eigentliche Anzug gefertigt. Wenn dieser dann fertig ist, kommt es zur zweiten Anprobe. Dazu muss der Kunde erneut vorstellig werden. Der Anzug wird überprüft und der Schneider nimmt eventuelle Kundenwünsche entgegen. Daraufhin wird der Anzug überarbeitet. Das Prozedere kann sich durchaus noch das eine oder andere Mal wiederholen, bis es zur finalen Anprobe kommt, der sogenannten Übergabe.
Die gesamte Herstellung dauert bis zu sechs Monate. Das sollte man vor dem Kauf einplanen. In dieser Zeit wird ein einmaliges Produkt entwickelt, dessen Qualität sich allerdings erst auf den zweiten Blick eröffnen soll, denn eine alte Schneiderweisheit besagt: „Wenn jemand deinen neuen Anzug lobt, hat dein Schneider etwas falsch gemacht.“ Denn die einzige Aufgabe des maßgeschneiderten Anzuges soll es sein, mit seiner edlen Schlichtheit die Persönlichkeit seines Trägers zu unterstreichen. Dann haben sich die Passion für schöne Kleidung gelohnt, das viele Geld und auch die enorme Geduld. Wenn man dann den Anzug schließlich in den Händen hält, ist man um ein edles Outfit reicher und um zwei- bis dreitausend Euro ärmer.
Maßkonfektion – Erste Alternative zur Maßschneiderei
Was aber tun, wenn man weder übermäßig viel Geld noch Geduld hat, allerdings dieselbe Passion für schöne, hochwertige Kleidung mit genauer Passform? Man sucht sich einen Maßkonfektionär!
Die Maßkonfektion füllt die große Lücke zwischen Maßschneiderei und Stangenware. Es ist eine Alternative für Männer, die weder ein Vermögen auf den Tisch legen noch ein halbes Jahr auf ihren Anzug warten wollen (oder können), dennoch nicht auf einen hochqualitativen Anzug und Mitgestaltung verzichten wollen.
Der Unterschied zwischen Maßkonfektion und Maßschneiderei besteht in der Herangehensweise. Zwar vermisst der Maßschneider wie auch der Maßkonfektionär seinen Kunden. Der Unterschied in der Vermessungssituation besteht jedoch darin, dass der Kunde von Maßkonfektionär über ein Standard-Größensystem vermessen wird. Damit wird gewissermaßen der Schritt mit der Fertigung des Probeanzuges übergangen. Stattdessen werden die Maße des Kunden auf Basis eines bereits existierenden Probeanzuges gleich bei der ersten Begegnung angepasst.
Erstaunlicherweise stehen hochwertige Anbieter einer Maßkonfektion der Maßschneiderei bei Stoffauswahl und Personalisierungsmöglichkeiten in nichts nach. Häufig kann man unter denselben italienischen und englischen Stoffen wählen, die auch ein guter Schneider anbietet. Dabei wird dem Kunden ähnlich wie beim Maßschneider ein fachlicher Berater zur Seite gestellt, um genau auf dessen Wünsche eingehen können.
Nachdem der Kunde vom Maßkonfektionär vermessen wurde und die Stoffauswahl getroffen hat, werden seine Daten an eine Produktionsstätte gesendet, wo ein Computer ein individuelles Schnittmuster entwickelt, das dann mit hochpräzisen Maschinen aus dem Stoff geschnitten wird. Anschließend gelangen die Teile in einen Produktionsablauf, in dessen Verlauf erfahrene Näher/innen den Anzug zusammensetzen.
Man sagt unter Kennern, dass die ersten hundert Hemden eines Nähers sofort weggeschmissen werden, die zweiten hundert kann man an Discountmärkte verscherbeln, die dritten hundert an Mittelklasseläden. Erst nach etwa vierhundert genähten Hemden hat ein Näher oder eine Näherin die gewünschte Qualität erreicht, die Sie bei einem erstklassigen Anbieter von Maßkonfektion erwarten dürfen. Wenn der Anzug zusammengesetzt ist, wird er von einer Fachkraft mit langjähriger Erfahrung auf die kleinsten Fehler geprüft. Sollte nur eine Naht falsch sein, wird der Anzug erneut produziert. Trotz allem kommt es nach knapp zwei Wochen bereits zu einer zweiten Anprobe mit dem Kunden. Wie beim Maßschneider werden auch hier Änderungswünsche entgegengenommen und anschließend umgesetzt.
Um einen vernünftigen maßkonfektionierten Anzug zu erwerben, muss man mindestens 500 Euro auf den Tisch legen. Je nach Stoff und Extrawünschen kann der Preis aber noch deutlich steigern.
Vorsicht vor Billig-Anbietern von Maßanzügen
Übrigens: Hände weg von Billig-Anbietern, besonders wenn die ihre Kunden sich selbst vermessen lassen. Das ist viel zu fehleranfällig und ungenau. Dazu zählen vor allem diverse Online-Anbieter, die Maßanzüge für weniger als 200 Euro anpreisen. Zu den Konditionen können das weder hochwertige Stoffe sein, noch kommt der Kunde persönlich mit dem Schneider in Kontakt, der sich die nötige Zeit und Muße zum Vermessen nimmt. Dementsprechend groß ist die Gefahr, dass der Anzug am Ende nicht die richtige Passform hat. Hier greift die alte Regel: Wer billig kauft, kauft zweimal. Daher lautet eine andere Regel: Man sollte sich immer die bestmögliche Qualität kaufen, die man sich mit seinem aktuellen Budget leisten kann. Dann hat man mehr und auch länger was von seiner Kleidung.
Das Internet bietet dem Maßkonfektionär sowie dem Maßschneider und ihren Kunden aber auch Vorteile. Wenn der Kunde einmal vom Schneider seines Vertrauens vermessen wurde, kann er dort von überall auf der Welt einen perfekt sitzenden und qualitativ hochwertigen Anzug nachbestellen; jedenfalls so lange sich Körpergewicht und Körperform in der Zwischenzeit nicht deutlich verändert hat. Dann dauert es auch keine sechs Monate mehr, sondern nur noch rund zwei bis drei Wochen. Und auch der Preis ist humaner. In dem Fall bezahlt man für einen weiteren hochwertigen Anzug vom Maßkonfektionär kaum mehr als für einen Marken-Anzug von der Stange.
Maßschneiderei vs. Maßkonfektion
Ein perfekt sitzender Anzug kann einem den Tag retten, aber man sollte nicht zu viel erwarten. Man wird weder zum britischen Geheimagenten noch wird der Bauch weniger, nur weil der Anzug gut sitzt.
Maßgeschneiderte Anzüge sind ein Stück vollendeter Handarbeit. Diese hat zwar ihren Preis, doch dafür trägt man einen Anzug, wie er hochwertiger nicht sein könnte. Maßkonfektion hingegen ist eine preiswertere Alternative. Diese moderne Variante der Anzugherstellung bietet häufig sogar eine vergleichbare Qualität sowie freie Stoff- und Farbwahl. Aber wie immer liegt es bei Ihnen: Maßkonfektion oder Maßschneiderei – entscheiden Sie selbst!