Klassische Mode für den Mann – Was ist das eigentlich? Und bleibt der Look immer gleich, oder unterliegt er auch den Launen der Mode? Modemacher Holger Sommer über die klassische Mode im Wandel.
Kleidung ist immer ein Ausdruck der Zeit
Als Erstes: Der klassische Look unterliegt genau wie die jährlich neue Mode dem Wandel der Zeit. Lediglich der Rhythmus und die Art der Veränderungen sind anderer Natur. Beispiel gefällig? Heute würde kein Mann auch nur im Traum daran denken, einen klassischen Anzug aus den 1970ern zu tragen. Das Revers ist zu breit, der Hosenschlag zu groß, die Art der Taillierung für die meisten irgendwie „unangenehm“.
Das, was die Menschen tragen, war schon immer Ausdruck der Zeit. Es steckt das Gefühl der Zeit, des „Lifestyles“ in den Klamotten der Leute. Lediglich das Maß der Veränderungen nimmt von der Highend Fashion bis hin zur Mode für die breite Masse ab.
Der klassische Look verändert sich anders
Der sogenannte klassische Look des Mannes nimmt hierbei jedoch einen besonderen Platz ein. Die Veränderungen sowie der Wille der Veränderungen laufen etwas anders. Die Gründe dafür sind nicht ganz eindeutig. Vielleicht weil es „schon immer so war“, weil die Männer glauben, an dem Look festhalten zu müssen, weil sie sich vor Veränderungen fürchten oder auch einfach nur, weil sie sich den Umständen anpassen, in denen sie leben.
So belegen Studien, dass sich die Kleidung der Angestellten der des Chefs anpasst: Wird der Chef im Stil legerer, wird der Kleidungsstil der Belegschaft lockerer. Trägt der Chef hingegen konsequent Anzug, Hemd und Krawatte und legt das Sakko auch nicht ab, so ahmen die Angestellten ihn ebenfalls nach.
Der klassische Stil verändert sich weniger offensichtlich
Auch Anhänger des klassischen Looks nehmen oft gar nicht bewusst wahr, wie sich die Mode „ihres“ Stils verändert. Dabei beginnt es bereits mit der modernen Verarbeitungstechnologie, die dafür sorgt, dass die Kleider leicht und bequem sind. Ein „klassischer“ Anzug mit den verschiedenen schweren Rosshaar-Einlagen zur Formgebung findet heute nur noch schwer einen Käufer. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Die Dinger sind kein Tragevergnügen, sie tun sogar weh.
Für einen Film kam ich in den Genuss, einen Anzug eines Preußischen Botschafters mit Stehkragen, Verzierungen etc. zu tragen, der mit der damals üblichen Fertigungstechnik gearbeitet wurde. Zwar hatte der Anzug die richtige Größe und saß wie eins, doch er war unangenehm steif und fest. Allein das Jackett fühlte sich an wie ein Stock im Rücken, um geradezustehen. Dies würde der klassische Mann von heute im Alltag sicherlich nicht mehr tragen wollen. Hier wurde die Art und Weise der Fertigung der von vielen verhassten „Mode“ aus praktischen Gründen willkommen übernommen.
Ein weiteres Beispiel: die Jeans. Einst als die „Arbeiterhose“ verpönt, gilt sie heute als vollwertiges und völlig akzeptiertes Kleidungsstück, die sogar zum klassischen Look passt: eine hochwertige Jeans, dazu ein Hemd, Krawatte, Sakko und ein schöner Slipper. So kann sich auch der klassische Mann bedenkenlos auf die Straße wagen, ohne schräg angeschaut zu werden. Und das ist auch gut so.
Im Leben wie in der Mode: Keine Angst vor Veränderungen
Der hauptsächliche Unterschied der klassischen zur schnelllebigen Mode besteht darin, dass sie nicht durch grelle Farben oder Formen auffallen möchte. Alles ist zurückhaltender und gedeckter gehalten. Die Kombinationen sind eher Ton in Ton. Dennoch verändert sich der Stil permanent. In manchen Bereichen schneller, in anderen eben langsamer.
Kontinuität ist in vielen Lebensbereichen etwas Schönes. Man sollte aber niemals Angst vor Veränderungen haben. Das gilt auch für die klassische Mode.